Eagles of Empire - 1870/71
"Eagles of Empire" ist ein durch Kickstarter realisiertes Tabletopspiel zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, das mich durch seine Unkompliziertheit und Stringenz begeistert. Die passenden Figuren vom gleichen Hersteller gefallen mir auch sehr gut; der Detailgrad und die Posen sind super!
Übersicht
Die Regeln
Die kleinste Truppeneinheit ist ein Squad, das für Infanterie aus sieben Figuren besteht. Zwei Squads können zu einem Section zusammengefasst werden, wenn sie benachbart zueinander stehen. Das hat den Vorteil, dass die komplette Einheit gemeinsam bewegt werden kann, schießen kann etc. Außerdem erhält die Einheit dann einen Offizier, der die Section befehligt. Alle Infanterie-Squads sind nach dem dritten Treffer vernichtet, d.h. man entfernt nicht eine einzelne Figur, sondern stets mehrere (z.B. beim ersten Treffer 2, beim zweiten auch 2, beim dritten 3). Deshalb sollten die Figuren nach Möglichkeit auch entsprechend in 2er- oder 3er-Gruppen basiert sein, was aber kein Muss ist (ich mache es auch nicht so, damit sie auch mit anderen Regelwerken kompatibel sind). Bei Kavallerie verhält es sich im Prinzip so ähnlich. Außerdem gibt es noch Artillerie sowie, für die Franzosen, Mitrailleusen.
Die Regeln für Bewegen, Deckung, Schießen, Nahkampf sind sehr eingänglich und verständlich; man braucht die Regeln eigentlich nur ein Mal zu lesen, und hat alles kapiert. Alle wesentlichen Infos sind auf den jeweiligen Einheitenkarten, die mit den Figuren mitgeliefert werden, vermerkt. Manche Truppentypen haben bestimmte (historisch plausible) Eigenschaften, die sie von anderen unterscheiden.
Wo es wirklich interessant wird, sind die Doktrinkarten und die Objectives. Wenn man, wie oben beschrieben, einen Offizier hat, kann man Doktrinkarten verwenden, die sich für Preußen und Franzosen unterscheiden. Mit den Doktrinen können bestimmte Fähigkeiten ausgespielt werden, z.B. Artillerie-Unterstützung (von außerhalb des Tisches, nicht durch die ggf. auf dem Tisch stehende Artillerie) oder ein Bewegungsbonus (im Fall der Preußen - dadurch, dass die Franzosen eine größere Schussreichweite haben, die Preußen aber diesen Bewegungsbonus ausspielen können, ergibt sich die historisch plausible Situation, dass die Preußen eher zum offensiven und die Franzosen zum defensiven Spielen prädestiniert sind).
Das wichtigste im Spiel sind Objectives, von denen es standardmäßig drei gibt: Eins in der Nähe der Aufmarschzone der Preußen, eins in der Nähe der Aufmarschzone der Franzosen und eins in der Mitte des Tisches. Wenn es einem Spieler gelingt, Truppen in die Nähe eines Objectives zu bringen, erhält er am Ende der Runde Command Points (am meisten CP gibt es für das zentrale Objective). Wenn beide Spieler Truppen in der Nähe haben, erhalten beide nur die Hälfte an CP. Die CP kann der Spieler zu Beginn einer neuen Runde investieren:
- für neue Truppen, die als Verstärkung den Tisch betreten
- für das Ausspielen einer der oben erwähnten Doktrinen
- für das eigentlich wichtigste: Die Umwandlung in Victory Points, denn um das Spiel zu gewinnen, muss man eine definierte Anzahl an VP sammeln
Die Objectives zu erreichen und dann zu verteidigen und zugleich die richtige Balance zu finden, wofür man seine CP investiert, ist eine spannende Herausforderung und simuliert die Entscheidungszwänge, denen die kommandierenden Offiziere im Gefecht unterworfen sind, ganz gut. Man kann übrigens auch gesammelte VP in CP zurücktauschen, wenn z.B. in einer Spielphase plötzlich doch dringend benötigte Verstärkungen fehlen, allerdings zum unvorteilhaften Kurs von 2 VP zu 1 CP.
Das Projekt
Ich habe mir zusammen mit einem Freund das Infanterie-Starterpack gekauft und übernehme die Preußen (natürlich - siehe z.B. das Thema meiner Magisterarbeit ). Das sind vier Squads zu je sieben Mann, zusammen mit Offizieren in Summe 32 Figuren. Später werden als Ergänzung Jäger, Kürassiere, Artillerie und verbündete bayerische Infanterie folgen.
Hier die grundierte preußische Infanterie, angetreten zum Bemalen:
Bei der Farbauswahl kommt es im Fall der Preußen naturgemäß hauptsächlich auf den geeigneten Blauton für die Uniformjacken an, was einen Farbtest voraussetzte:
Während die preußische Infanterie bemalt wurde, kam bereits eine Großbestellung zur Ergänzung an: 1x bayerische Infanterie, 1x preußische Jäger, 4x preußische Kürassiere, 2x preußische Artillerie, 1x preußischer "Held" Major von Hadeln, 1x preußischer "Held" General von Bredow. Damit habe ich jetzt eigentlich alles, was ich für dieses Projekt bis auf weiteres brauche.
Die Figuren sind wirklich Klasse, vor allem die Pferde sehen sehr dynamisch aus. Die Figuren der gesamten Reihe, insbesondere die Preußen, muten irgendwie leicht exzentrisch-überzeichnet an, was an zeitgenössische Schlachtengemälde erinnert (manche Figuren wurden auch 1:1 nach historischen bildlichen Vorlagen modelliert). Das gefällt mir alles sehr gut
Parallel hatte ich schon für geeignetes Gelände geplant. Bäume, Büsche, Felsblöcke, Hügel, Ackerflächen, Straßen, Gebäude und Zäune standen auf der Wunschliste, wobei von vornherein fest stand, dass die Ackerflächen nach bewährter Methode aus Kokosfußmatten selbst gebastelt würden. Hier das erste fertig gestellte Gebäude, dessen Bausatz ich mir als Mitbringsel von der Hamburger Tactica gegönnt hatte:
Zwischenzeitlich hatte der Hersteller der Figuren sein Sortiment auch erweitert mit neuen Figuren für die "Republikanische" Phase des Krieges (ab Herbst 1870) sowie ein Kampagnenbuch, ebenfalls für diese Phase (da mich die frühe Phase - also der Sommer 1870 bis zur Schlacht von Sedan und der Absetzung Napoleons III. - mehr interessiert, hoffe ich, das dafür auch noch was kommt...).
Meine Truppe
Im Juli 2023 waren die ersten Figuren endlich fertig bemalt!
Hier die preußische Infanterie - jeweils zwei Squads Linieninfanterie (die gemäß der Spielregeln zu einem Section vereint werden können, siehe oben):
Sowie zwei Squads preußische Jäger:
Und eine Figur, die als "Held" eingesetzt werden kann. Sie ist Major von Hadeln nachempfunden, der am 18. August 1870 in der Schlacht bei Gravelotte gefallen ist und durch seine beispielhafte Führung in die nationale Legende dieses Krieges einging:
Ende Dezember 2023 folgten dann zwei Squads bayerischer Linieninfanterie, die einige sehr interessante neue Doktrinen mitbringen (z.B. die truppenärztliche Heilung Verwundeter) sowie zwei Kanonen der preußischen Artillerie, die zusammen zu einer Batterie mit mehr Feuerkraft vereint werden können.
Zuletzt, Anfang 2024, habe ich zwei Einheiten Kürassiere nebst dem dazugehörenden Offizier fertig bemalt. Damit ist das Projekt vorerst abgeschlossen und ich freue mich auf viele tolle und spannende Spiele
Das erste Testspiel
Am 10. November 2023 habe ich mit zwei Freunden endlich das erste Spiel absolviert. Das Regelwerk hat meine (sehr hohen) Erwartungen voll erfüllt! Es ist an Einfachheit, Nachvollziehbarkeit und Spielbarkeit kaum zu übertreffen und dabei zugleich unglaublich komplex und spannend zu spielen. Das liegt vor allem daran, dass mit dem Sammeln der Command Points - mit denen man Nachschub kaufen, spezielle Doktrinen (Fähigkeiten) erwerben oder die man in Victory Points umwandeln kann (siehe oben) - eine zweite, abstrakte Ebene neben dem reinen Spielgeschehen auf dem Tisch eröffnet wird, in der vorausschauend gedacht und antizipiert werden muss. Diese "Kommandoebene", umgesetzt eben durch die Verwaltung der Ressource Command Points, simuliert die Entscheidungszwänge, die sich für einen Offizier im Scharmützel ergeben, in meinen Augen ausgezeichnet
Es gibt von diesem Gefecht leider keinen ausführlichen Gefechtsbericht, wie etwa im Fall des Auftaktspiels Lion Rampant, aber die zeitgenössischen Aufzeichnungen eines beteiligten preußischen Soldaten sind überliefert:
"Das treffliche preußische Heer ward mehrfach ihrer speziellen Doktrin der 'Preußischen Taktik' gewahr, welche ihnen für einen Kommandopunkt eine kunstvolle zweifache Bewegung gestattete. Hierdurch gelang es ihnen, mittels zweier Trupps Linieninfanterie das nächstliegende Ziel 1 an der Ecke der Mauer beherzt zu erreichen und desgleichen das mittig gelegene Ziel 2, ein mächtiges Gebäude, vor den weniger flinken Franzosen einzunehmen. Jene beiden Trupps haben sich hernach in jenem Bauwerk verbarrikadiert.
Die Franzosen hingegen nahmen mit ihren zwei Trupps Linieninfanterie das ihnen allerorts anliegende Ziel 3 an der Angrenzung eines kleineren Gebäudes ein, und begaben sich sodann, unter zahlreichen Feuergefechten, in Richtung des Bauwerks, das die Preußen innehatten. Insgesamt konnten die Franzosen ihren enormen Vorteil gegenüber den Preußen, nämlich die längere Reichweite ihrer geliebten Chassepot-Gewehre, in diesem dichten Schlachtfeld nur unzureichend ausreifen lassen. Da sie sich als Verstärkung zwei Trupps Francs-Tireurs geholt hatten, welche gegenüber jeglichen anderen Kampfeinheiten das besondere Talent besitzen, sich frei auf dem Schlachtfeld positionieren zu können, statt nur in ihrer engen Aufstellungsfläche an der Ecke des Tisches (dabei müssen sie lediglich einen Mindestabstand zu feindlichen Truppen und Zielen bewahren).
Die Preußen aber beorderten zwei Jäger-Trupps als Verstärkung. Die Verstärkungen beider Kontrahenten haben sich, wenn auch teilweise in leichter Deckung stehend, gegenseitig beschossen und hierbei leichte Verluste hinnehmen müssen. Dennoch konnte ihr Tun keinen nennenswerten Einfluss auf den Ausgang des Gefechts ausüben. Zu späterer Zeit erbaten die Franzosen eine Mitrailleuse (ein Schnellfeuergeschütz) als Verstärkung, welches jedoch aufgrund seiner langsamen Fortbewegung nicht eingesetzt werden konnte (nichtsdestotrotz wollten sie es doch wenigstens präsentieren).
Zu guter Letzt versuchte die französische Linieninfanterie einen Sturm auf das zentrale Bauwerk zu inszenieren. Doch ward ihnen kein Glück beschienen, und so ward der Triumph in diesem Scharmützel von den Preußen errungen, welche zuvor geschickt (betrachtet im Nachhinein - in der Hitze des Gefechts eher aus Zufall oder Eingebung) ihre Kommandopunkte in eine vernehmbare Menge Siegpunkte konvertiert hatten.
Im Rückblick betrachtet lässt sich konstatieren, dass der eher defensive Einsatz der Francs-Tireurs, welche sich von ihren Aufstellungspunkten am Waldrand bzw. dem kleineren Gebäude niemals entfernt haben, den Franzosen wohl den Triumph genommen hat. Denn somit mussten die Preußen, welche ihrerseits stets gut beschützt agierten, zu keiner Zeit um ihr früh errungenes Ziel 1 an der Ecke der Mauer fürchten."
... zum Schluss stürmen die Franzosen das immer noch von den Preußen besetzte Gebäude, leider für sie ohne Erfolg. Die Franzosen haben eine spezielle Fähigkeit freigeschaltet und einen britischen Kriegsreporter "embedded", so dass diese letzte Phase des Gefechts auch auf einer zeitgenössischen Fotografie für die Nachwelt festgehalten wurde (die Franzosen mussten wegen der damals langen Belichtungszeit still stehen, vielleicht hat sie das den Sieg gekostet...?).